ZUR GESCHICHTE DES INSTITUTS

MHFA


Das IFRA-SHS in seiner aktuellen Form geht auf mehrere Vorgängerinstitutionen zurück, in deren Tradition es steht.

1977: Mission Historique Française en Allemagne (MHFA)

Der Ursprung des IFRA-SHS liegt in der Mission Historique Française en Allemagne (MHFA), welche 1977 in Göttingen gegründet wurde und lange Zeit Frankreichs einziges historisch und sozialwissenschaftlich orientiertes Forschungszentrum in Deutschland war. Die Initiatoren dieses Projekts – vor allem Historikerinnen und Historiker – hatten seit den 1950er Jahren von einem französischen Pendant zu dem 1958 gegründeten Deutschen Historischen Institut in Paris geträumt. Viele Fragen blieben dabei freilich zunächst offen: Sollte es eine „École française“ wie in Rom oder Athen werden? Welcher Einrichtung sollte man das Institut angliedern: einem Ministerium oder eher der „Académie des Inscriptions et Belles-Lettres“? Welche Stadt wäre ein geeigneter Standort – München, Bonn, Saarbrücken oder vielleicht Köln? Viele Gründe führten dazu, dass sich die Umsetzung des Projekts immer wieder verzögerte: Frankreichs Übergang zur fünften Republik im Jahr 1958, die ungünstige finanzielle Lage in den Folgejahre, der Vorrang, der ab 1963 Schüleraustauschprogrammen gewährt wurde, und die Tatsache, dass Frankreich bisher in Deutschland durch klassische Kulturinstitute und nicht durch wissenschaftliche Einrichtungen vertreten wurde. 

1974 griff man den Gedanken aus den 1950er Jahren erneut auf und plante erstmals, ein französisches Forschungszentrum unter dem Dach eines größeren Kulturinstituts einzurichten. Doch bis zur Realisierung dauerte es weitere drei Jahre: 1977 entstand auf Initiative seines Gründers und ersten Direktors Robert Mandrou die MHFA. Sie unterstand dem französischen Außenministerium und war in das 1956 in Göttingen gegründete Max Planck-Institut für Geschichte integriert. Die Stadt Göttingen lag jedoch weder in der Nähe der französischen Grenze noch in der ehemaligen französischen Besatzungszone oder einer frankophone Region. Dafür boten aber neben dem Max Planck-Institut die Bibliothek und Universität von Göttingen sehr gute Arbeitsbedingungen und wichtige Kontakte.

Nach bescheidenen Anfängen war das wissenschaftliche Programm der MHFA Mitte der 1980er Jahre soweit erweitert worden, dass die Mission den deutsch-französischen Austausch zwischen Historikerinnen und Historikern sowie anderen Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern nachhaltig beleben konnte. An ihrer Spitze wechselten sich Spezialisten für deutsche Geschichte ab: Etienne FrançoisMichel ParisseGérald ChaixPatrice VeitPierre MonnetChristophe Duhamelle und Thomas Lienhard. Dank verschiedener Stipendien und Austausch- bzw. Mobilitätsprogramme, die die MHFA finanzierte, konnten die Direktoren eine ganze Generation von Lehrenden und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ausbilden, die heute den wissenschaftlichen Dialog zwischen Deutschland und Frankreich im Bereich der Geisteswissenschaften fortsetzen. Während ihrer Göttinger Zeit konnte die MHFA die Infrastruktur und Räumlichkeiten des Max Planck-Instituts für Geschichte nutzen. Zudem wurde ihr die Privatbibliothek ihres Gründers Robert Mandrou überlassen. 

Im Jahre 2008 kündigte sich jedoch ein Umbruch in der Struktur und Arbeit der MHFA an. Die Gründe hierfür waren vielfältig: das Berliner Centre Marc Bloch hatte seine Aktivitäten seit 1992 zunehmend ausgeweitet, die Universitätslandschaft und der Forschungsbereich hatten sich in beiden Ländern stark verändert und 2008 wurde das Göttinger Max Planck-Institut geschlossen. 

2009: Institut Français d’Histoire en Allemagne (IFHA)

Im Jahre 2009 fusionierte die Mission Historique Française en Allemagne mit dem Institut Français Frankfurt und leitete damit den Wandel ein, der sich im Vorjahr angekündigt hatte. Unter dem neuen Namen “Institut Français d’Histoire en Allemagne“ (IFHA) hat die MHFA seit dem 1. September 2009 ihren Sitz in den Räumlichkeiten der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Der Umzug in eine international geprägte Großstadt, die im Herzen Deutschlands und Europas liegt, viele Museen, Theater, eine der größten Buchmessen der Welt und die Deutsche Nationalbibliothek zu bieten hat, erwies sich als richtiger Schritt für die kulturelle und wissenschaftliche Arbeit des Instituts. Seit seinem Umzug wird das IFHA durch die Goethe-Universität, aber auch andere Institutionen wie das Max Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte unterstützt, die dazu beitragen, dass das Institut seine seit mehr als 35 Jahren andauernde Arbeit fortsetzen kann.

Nach dem Zusammenschluss 2009 hat das IFHA zusätzlich zu den auf Wissenschaft und Forschung ausgerichteten Aktivitäten die kulturellen Aufgaben des Institut Français Frankfurt übernommen. Es organisiert Vorträge, Podiumsdiskussionen, Konferenzen, Lesungen, Filme und Ausstellungen an der Schnittstelle zwischen kulturellem Dialog und Forschung.

2015: Institut franco-allemand de sciences historiques et sociales (IFRA-SHS)

Seit dem 1. September 2015 besteht das Institut franco-allemand de sciences historiques et sociales (IFRA-SHS). Der neue Name trägt dem Umstand Rechnung, dass seit diesem Zeitpunkt mit der École des hautes études en sciences sociales Paris ein weiterer historischer Partner des Instituts als Trägerorganisation gewonnen werden konnte, sodass das IFRA-SHS nunmehr von drei Institutionen getragen wird: dem französischen Außen- und Europaministerium (MEAE), der Goethe-Universität und der EHESS. Das bedeutet auch eine erhebliche Ausweitung des Fächerspektrums, welches die Aktivitäten des Instituts abdecken, hin zur Gesamtheit der Sozialwissenschaften.

Weitere Informationen zur Geschichte des Instituts  finden sich in folgenden Publikationen:

  • Pierre Monnet, La Mission Historique Française en Allemagne: 30 ans d’échanges scientifiques entre la France et l’Allemagne en histoire », in: Corinne Defrance, Ulrich Pfeil (Hrg.), Kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich im 20. Jahrhundert: Ein institutionengeschichtlicher Ansatz, Thorbecke, Ostfildern, 2006, S.113-135.
  • Pierre Monnet, «La Mission Historique Française en Allemagne/L’Institut Français d’Histoire en Allemagne», in: Nicole Colin, Corine Defrance, Ulrich Pfeil und Joachim Umlauf (Hrg.), Lexique des relations culturelles franco-allemandes depuis 1945, Tübingen, Narr Verlag, erscheint 2013.
  • Pierre Monnet: «35 ans de mobilité scientifique vers l’Allemagne à la MHFA et à l’IFHA », in: Revue de l’IFHA, 4, 2012, S.104-109.