15. april 2025 | Call for Participation EURETES-Sommerschule "Demos: Strukturen und Praktiken der politischen Partizipation"

euretes

 

Veranstalter: IFRA-SHS, Goethe-Universität Frankfurt am Main, EHESS/Centre Georg Simmel Paris (Xenia von Tippelskirch, Falk Bretschneider, Sandra Seubert, Andreas Häckermann) im Rahmen der Initiative EURETES „Faire société“

Ort: Forschungskolleg Humanwissenschaften Am Wingertsberg 4 61348 Bad Homburg v.d. Höhe

Zeitraum: 10.–13. Juni 2025 

Eine demokratische Verfassung macht noch keine lebendige Demokratie. Für sie braucht es ein laufendes öffentliches Interesse an der Politik als „res publica“, braucht es öffentlich zugängliche Informationen und Ressourcen der Meinungsbildung, braucht es Medien der Kritik und des Protests. Vor allem und nicht zuletzt braucht es eine engagierte Bürgerschaft, die sich im Bewusstsein ihrer Mündigkeit einbringt in den Streit der Meinungen und Deutungen, die als Anwalt für sich selbst wie für Schwächere um Gerechtigkeit ringt und den demokratischen Prozess nicht nur passiv rezipiert, sondern aktiv mitgestaltet. Kurz: Für eine lebendige Demokratie braucht es die Möglichkeit, die Ressourcen und die Bereitschaft, an ihr zu partizipieren. Denn ohne das Engagement des Demos, ihres Souveräns, sind ihre Institutionen nur leere Hüllen, ihre Freiheitsrechte nur Sätze auf Papier. Anders als Diktaturen und Autokratien, die Partizipation verhindern oder autoritär lenken, brauchen Demokratien sie wie die Luft zum Atmen.

Politische Partizipation hat eine Geschichte, sie funktioniert heute anders als zum Beispiel in der antiken Polis. Der Weg von der Kommunalpolitik bis hoch zur nationalen, ja internationalen Ebene ist weit. Wer den Marsch durch die Institutionen wagt und sich nach oben arbeitet, muss die Politik bald zum Beruf machen. Jenseits davon heißt politische Partizipation in vielen Fällen vor allem: Wählen gehen, womöglich zuweilen auf einer Demonstration mitmarschieren, eine Petition unterschreiben oder, wie seit neuestem in Deutschland, als ausgeloster Bürger an einem Bürgerrat teilnehmen. Selbst der Einsatz für ethische Anliegen läuft heutzutage selten über direktes Engagement, sondern „interpassiv“ über professionelle NGOs und Lobbyorganisationen. Wer partizipiert somit heute überhaupt wo und wie an der Demokratie? Welche Folgen hat die Professionalisierung der Politik auf Fähigkeiten und Bereitschaft zur demokratischen Partizipation? Und wer verfügt überhaupt über die zeitlichen und materiellen Ressourcen, sich an der Demokratie aktiv zu beteiligen, ohne mit ihr den Lebensunterhalt zu bestreiten?

Wenn Partizipation in einer Demokratie schwer wird, so eine plausible These, dann begünstigt das Gefühle der Ohnmacht, die der autoritäre Populismus der Gegenwart aufzugreifen weiß. Dieser Populismus nimmt die parlamentarische Demokratie in die Zange: von „oben“ durch charismatische Machiavellisten, die am liebsten jede Opposition unterbinden; von „unten“ durch empörungsbereite Teile der Bevölkerung, die beanspruchen, den vermeintlich wahren Volkswillen gegen die demokratische Ordnung zu vertreten. Konstruktive Kritik an Amtsträgern ist hier nicht gefragt, Konjunktur haben Verschwörungsmythen, Pauschalvorwürfe und Hassreden. Elektorale Demokratien scheinen heute daher weniger durch erlahmende Partizipation gefährdet als durch „alternative Fakten“ und die Übermacht digital vermittelter Affekte. Um im Bild zu bleiben: Wenn Demokratien Partizipation brauchen wie die Luft zum Atmen, dann scheint derzeit nicht zu wenig Sauerstoff das Problem zu sein, sondern die vergiftete Luft. Können hier andere Formen der Repräsentation, wie Losverfahren, Abhilfe schaffen? Und zeigt womöglich ein Blick in die Geschichte, dass unser Verständnis von Demokratie sich viel zu sehr an gegenwärtigen Institutionen orientiert?

Ausgehend von diesen Fragen und Beobachtungen wird sich die deutsch-französische EURETES-Sommerschule 2025 mit Strukturen und Praktiken der politischen Partizipation beschäftigen. „Politisch“ ist im weiteren Sinne gemeint und nicht beschränkt auf „die Politik“. Gefragt sind Beiträge aus allen geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen, die Partizipation aus unterschiedlicher Blickrichtung problematisieren und historisieren – ob im Bereich der Kunst, der Bildung oder der Wirtschaft.

Eingeladen sind fortgeschrittene Studierende, Promovierende und Postdocs (bis zu drei Jahre nach der Promotion), die ein Forschungsinteresse im oben skizzierten Themenfeld verfolgen und die an der EHESS oder der Goethe-Universität in Geschichte, Philosophie, Politik- und Sozialwissenschaften, Ethnologie, Literatur- oder Kunstgeschichte eingeschrieben sind. Die Tagung soll Raum für den Austausch über aktuelle, noch nicht abgeschlossene Forschungsprojekte bieten. Die Veranstaltung wird durch Kurzvorträge von erfahrenen Forscherinnen und Forschern gerahmt, die gleichzeitig die Diskussionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereichern. Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und Englisch, wobei zumindest passive Kenntnisse dieser drei Sprachen vorausgesetzt werden. Um das Verständnis zu erleichtern, werden die Teilnehmer:innen gebeten, eine PowerPoint-Präsentation in einer anderen Sprache als der, in der sie selbst vortragen, vorzubereiten.

Der interdisziplinäre Workshop findet am Forschungskolleg Bad Homburg statt. Die Erstattung der Reise- und Unterkunftskosten für die französischen Teilnehmer:innen ist vorgesehen. Für deutsche Teilnehmer:innen werden die Tagungskosten (Mahlzeiten, Kaffeepausen usw.) übernommen.

Promovierende und Postdocs werden gebeten, ihre Bewerbung bis zum 15. April 2025 mit einem aussagekräftigen CV und einer Beschreibung des eigenen Beitrags (ca. 300 Wörter) an die untenstehenden Mailadresse zu senden. Studierende im Master haben die Möglichkeit, ohne eigenen Beitrag an der Veranstaltung teilzunehmen. Sie werden gebeten, eine Kurzbewerbung mit einem CV und einer kurzen Begründung ihres Interesses an der Teilnahme einzusenden.

Kontakt: Andreas Häckermann (haeckermann@em.uni-frankfurt.de)